Von Pilar Celi
TACNA, PERU, 15.12.2015 (IPS) – Frauen aus der südperuanischen Hochlandregion Tacna haben in Indien gelernt, Sonnenkollektoren zu installieren. 272 Familien in ihrer Heimat brachten sie auf diese Weise Strom ins Haus. Die Solarpaneele tragen außerdem dazu bei, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und die Folgen des Klimawandels abzumildern.
Die heute 41-jährige Reina Isabel Humiri Mamani, eine zweifache Mutter und zweifache Großmutter aus der Provinz Candarave, entschied sich im Jahr 2011 gegen den Widerstand ihrer Familie, an einem Programm des ‚Barefoot College‘ teilzunehmen und für sechs Monate nach Indien zu gehen. In dem indischen Dorf Tilonia lernte sie gemeinsam mit Frauen aus aller Welt, wie Elektrizität aus Sonnenstrahlen gewonnen werden kann.
Die Provinz Candarave, die auf einer Höhe von 3.500 bis 4.800 Metern über dem Meeresspiegel liegt, ist besonders anfällig für die Folgen des Klimawandels. Die Bewohner leben vor allem von der Forellen- und Alpakazucht. Die zur Familie der Kamele gehörenden Tiere leiden sehr unter dem Treibhauseffekt, der ihnen die Suche nach Futter weiter erschwert.
Kerosinlampen verursachten Gesundheitsprobleme
In Candarave wird es jeden Nachmittag bereits um 18 Uhr dunkel. Um zu kochen und die Tiere zu versorgen, benutzten die Menschen bisher Kerosinlampen, die übelriechenden Rauch abgaben. Kinder machten im Kerzenschein ihre Hausaufgaben.
Gesundheitsexperten in dem südamerikanischen Land warnen seit Langem davor, dass das Einatmen giftiger Dämpfe Lungen- und Atemwegserkrankungen verursachen kann. Laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben zudem jährlich etwa 96.000 Kinder weltweit an den Folgen von Verbrennungen durch Lampen.
Nach fast 30 Stunden Flug kam Reina in Indien an und lernte in Tilonia Frauen aus aller Welt kennen. Die größte Entdeckung war die Solartechnologie. Ihr wurde beigebracht, Sonnenkollektoren zu installieren und zu reparieren. Bei der Rückkehr nach Peru wurden Reina und die übrigen vier Frauen als ‚Ingenieurinnen‘ gefeiert.
In jedem Dorf wurde ein ‚Solarkomitee‘ eingesetzt, das die neue Technik für die Allgemeinheit einführen sollte. Im Januar 2013 erhielten die Frauen die nötige Ausrüstung aus Indien, um Solar-Beleuchtungssysteme mit geringem Stromverbrauch zusammenzubauen. Die Technologie basiert auf LED-Leuchten, die repariert werden können.
Nachdem 387 Solarkollektoren installiert worden sind, haben insgesamt 1.360 Menschen in neun Dörfern in Candarave Strom. „Die fünf Ingenieurinnen bauten die Paneele in den Wohnhäusern ein. Jede Familie zahlte umgerechnet etwa zehn US-Dollar. Die Zufriedenheit war groß“, berichtet Alicia Condori Quispe.
Die Nachfrage nach den Solarpaneelen ist in Candarave weiterhin hoch. Da die Fahrtkosten hoch sind und die Dörfer über wenig Geld verfügen, können sie sich allerdings die Unterstützung der Ingenieurinnen bei der weiteren Instandhaltung nicht regelmäßig leisten. Die in Indien ausgebildeten Frauen versuchen daher, den Familien grundlegende Handgriffe für die Wartung der Geräte beizubringen.
Mit Hilfe der Sonnenenergie erledigen Kinder ihre Schulaufgaben jetzt bei hellerem Licht und lernen mehr. Auch der Gesundheitszustand der Bevölkerung hat sich verbessert, weil der schädliche Rauch der Kerosinlampen verschwunden ist. Überdies können die Familien viel Geld sparen, denn die früher verwendeten Lichtquellen waren sehr teuer.
Auch Forellen- und Alpakazüchter profitieren von Solarenergie
Nachdem Dorfbewohner auf eigene Initiative Sonnenkollektoren auch außerhalb der Häuser aufstellten, sind sie auch in der Lage, im Dunkeln ihrem Broterwerb nachzugehen. Der Besitzer einer Forellenfarm installierte fünf Sonnenkollektoren und kann somit seine Fische auch nachts oder frühmorgens füttern.
Alpakazüchter wie Reina nutzen das Licht aus Solarpaneelen dazu, ihre Tiere nachts gegen Angriffe von Füchsen zu schützen. In dem Dorf Marjani sammelten Eltern Geld, um eine Solaranlage in der Schule einzubauen.
Die Frauen, die sich mit der Solartechnologie vertraut gemacht haben, könnten den gesamten Alltag in ihren Dörfern verändern, meint der Lateinamerika-Direktor des ‚Barefoot College‘, Rodrigo París Rojas. „Sie bringen den Menschen nicht nur bessere und gesündere Beleuchtung, sondern schützen sie auch vor Unfällen.“
Das ‚Barefoot College‘ nimmt aus Prinzip nur Studentinnen an, da Frauen als Mittelpunkt ihrer Gemeinschaften betrachtet werden. „Frauen sind großzügig, sie sind Mütter und Großmütter, können Geschichten erzählen und untereinander ihr Wissen austauschen“, so Rojas. „Und sie kümmern sich darum, ihre Umgebung zu verändern.“